Kapitel 11

Arbeitsabläufe im Schneideraum

Die folgende Beschreibung der Aufgaben des Schnitts und der einzelnen Schnittphasen bezieht sich vor allem auf die professionelle fiktionale Kino- oder Fernsehproduktion. Aber auch professionelle dokumentarische Produktionen gehen ähnlich vor. Natürlich wird man ein kleines Projekt ohne Budget anders angehen müssen, strukturierte Abläufe sind aber immer wichtig, wenn man viel Material bearbeiten möchte.

Sichten und auswählen

Bei professionellen szenischen Filmproduktionen liegt natürlich ein Drehbuch vor. Vielleicht gibt es auch ein Storyboard, welches den ganzen Film bereits sorgfältig in einzelne Einstellungen aufgelöst hat. Sicher aber gibt es einen Drehplan, der genau regelt, wann welche Szenen mit welchen Darstellern aufgenommen werden. Alles ist ordentlich erfasst und bezeichnet. Es gibt ein gutes visuelles Konzept und alles ist technisch einwandfrei gelöst.

Aber natürlich gibt es auch in diesem Idealfall bereits während der Dreharbeiten Abweichungen vom Konzept des Buches. Äußere Umstände erfordern eine Anpassung, Dialoge müssen geändert werden, Passagen werden gestrichen. Die Hauptdarstellerin ist mal unkonzentriert, ein Nebendarsteller amateurhaft, das Tageslicht verschwindet zu schnell, das Wetter spielt nicht mit, der Drehplan ist zu eng und kann so nicht umgesetzt werden. Es entstehen Fehler. Das können im einfachsten Fall Anschlussfehler sein. Es können aber auch ganze Einstellungen fehlen, was erst nach dem Dreh bemerkt wird, oder auch bewusst in Kauf genommen wurde.

Deswegen entsteht beim Dreh jede Einstellung in der Regel in mehreren Varianten. Weil die Darstellerin beim ersten Versuch im ersten Teil einer Aufnahme, eines „Takes“ überzeugend spielt und bei einem zweiten Take im zweiten Teil. Weil die Kamera im gleichen Take nicht durchgängig zufriedenstellend war. Weil die Zigarette im besten Take schon zu weit abgebrannt war. All dies sind Gründe, weshalb die Regisseurin entscheidet, mehrere Takes als „Kopierer“ in den Schnitt zu schicken.

Ausmustern szenisch

Aus dem gesamten Rohmaterial wird dann eine „Musterrolle“ zusammengestellt. Die erste Arbeit für den Schnitt besteht darin, auszuwählen, welche Takes einer Einstellung für den Schnitt verwendet werden. Diese Arbeit nennt man Ausmustern, es wird entschieden, wo das Spiel der Schauspieler am überzeugendsten ist, das Timing am besten stimmt, die Bilder am eindringlichsten sind. Das „Ausmustern“ ist immer eine Prozess, der revidiert werden kann. Während der späteren Arbeit gibt es viele Phasen, in denen man sich im ausgemusterten Material erneut auf die Suche begibt.